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Sexualisierte Gewalt in den Schulen
Die Eltern sind erstaunt und ratlos. “Was ist hier los?” fragen sie. Etwa 45 von insgesamt 130 Eltern der Schüler*innen der 7. Klassen einer Dortmunder weiterführenden Schule sind der Einladung zum Elternabend gefolgt. Es geht um Grenzen und um sexualisierte Gewalt – in digitalen Medien und im realen Leben. Manuela Bieberstein und Annika Rödder von der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen der Beratungsstelle Westhoffstraße informieren und diskutieren gemeinsam mit den Lehrkräften und den Eltern.
Es geht um Übergriffe auf dem Schulhof, es geht um eine sogenannte Challenge (Herausforderung) in den Sozialen Medien, um unreflektierte Sendung von sexualisierten Inhalten, aber es geht auch um Beleidigungen, es geht um Grenzen. Herausfordernde Themen für alle Beteiligten, wenn es um die Entwicklung der Kinder geht. “Wichtig ist dabei, dass die Eltern nicht nur mit generellen Verboten reagieren”, erklärt die Diplom-Sozialpädagogin Manuela Bieberstein den anwesenden Erziehungsberechtigten. Viel wichtiger sei es, mit den heranwachsenden Kindern vertrauensvoll und offen zu reden.
Kinder sind überfordert
“Natürlich ist es gut, wenn die Eltern wissen, vor welchen Anforderungen ihre Kinder stehen”, sagt Annika Rödder als Systemische Familientherapeutin. Im Durchschnitt werden sie schon im Altern von elf Jahren mit den ersten pornografischen Inhalten konfrontiert, wissen die Expertinnen. Gleichzeitig sei auch klar, dass die Kinder in diesem Alter in sehr unterschiedlichen Reifegraden seien. “Viele der Kinder sind damit noch überfordert und können das Gesehene alleine nicht richtig einordnen”, weiß Rödder auch.
Die Erfahrung bestätigt sich, als die beiden Mitarbeiterinnen der Fachstelle in den nächsten Tagen in die Klassen gehen, um dort mit den Schüler*innen über diese Themen zu reden. Kein leichtes Unterfangen, denn zu den Herausforderungen der Entwicklung kommen viele weitere Faktoren, wie etwa die der Religion oder auch die der Familie und des sozialen Umfelds.
Grenzen gegen Gewalt
Gemeinsam mit den Schüler*innen besprechen Annika Rödder und Manuela Bieberstein mit Hilfe eines Ampelsystems das Thema Grenzen. Wie ist es, jemanden in der WhatsApp-Gruppe zu beleidigen? Ist es in Ordnung, die eigene Freundin zum Sex zu überreden? “Die Schüler*innen wissen oft nicht, was sie dürfen, und was nicht”, sagt Bieberstein. Dem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechend beteiligen sich die Schüler*innen in der Klasse. “Manche reden, einige sind albern, manche sind ganz still”, ergänzt Annika Rödder.
Die beiden Expertinnen sind nicht erstaunt, dass sich ihnen einige Schüler*innen offenbaren. Im stillen Moment berichten sie über erste digitale sexuelle Übergriffe. Oder sie machen auch klar deutlich: “Ich will das nicht sehen”. Bieberstein und Rödder sind sich einig, dass es darum geht, den Kindern dabei zu helfen, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Daher sei es etwa für die Eltern unbedingt erforderlich, so früh wie möglich mit ihren Kindern vertrauensvoll über das Thema Sexualität und Gewalt zu reden.
Herausforderungen sind gewachsen
“Sexting ist völlig in Ordnung, wenn es einvernehmlich und in einer sicheren Atmosphäre geschieht”, erklärt Manuela Bieberstein. Allerdings sei es genauso wichtig, über die Risiken und die möglichen Gefahren Bescheid zu wissen und eine gut durchdachte Entscheidung zu treffen und sich nicht unter Druck setzen zu lassen. “Es ist ein wichtiger Entwicklungsprozess, sich selbst und seine eigenen Wünsche für die Sexualität zu finden”, sagt sie.
Natürlich seien in den letzten Jahren die Herausforderungen gewachsen, bestätigen die beiden Beraterinnen. Allein die Tatsache, dass mehr als 75 Prozent aller Grundschüler*innen schon über Smartphones verfügen, trägt erheblich dazu bei. “Den Möglichkeiten, die die digitale Welt dort bietet, müssen sich auch die Eltern stellen, um mit den Kindern darüber reden zu können”, sagt Manuela Bieberstein.
Dankbar sind die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Westhoffstraße auch den Lehrer*innen, die Themen um Sexualität und Gewalt vermehrt aufzugreifen. “Wir sind gern bereit, dabei zu unterstützen”, sagt Annika Rödder. Und weist gleichzeitig darauf hin, dass es eine gute Vorbereitung brauche. Wichtig ist auch, dass alle Parteien wie Lehrkräfte, Eltern und Fachkräfte zusammenarbeiten und mit einbezogen werden, um die Kinder mit ihren neuen Herausforderungen bestmöglich zu unterstützen. “Das muss keiner alleine schaffen.”
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