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Das Soziale Zentrum ist ein fester Bestandteil des sozialen Lebens in Dortmund. Ein Plus an Lebensqualität für Kinder, Jugendliche, Familien und Senioren war und ist die Zielsetzung der Beschäftigten des Sozialen Zentrums Dortmund e.V.

Beratungsstelle Westhoffstrasse
Westhoffstraße 8-12
44145 Dortmund

Fax: 02 31 – 84 03 41

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Die Clearingstelle Kümmert Sich Darum, Menschen Wieder In Das Deutsche 'Gesundheitssystem Zu Integrieren.

Clearingstelle: Zugang zur Krankenversicherung

Die Klientinnen der Clearingstelle in der Beratungsstelle Westhoffstraße kommen oft von weit her. Gleichwohl es insgesamt fünf dieser Anlaufpunkte in Nordrhein-Westfalen gibt, hat sich der gute Ruf der Dortmunder Teams in den internationalen Communities herumgesprochen. „Das mag auch daran liegen, dass wir ein wirklich offenes Ohr für sie und ihre Geschichte haben“, sagt Ramazan Demirci. Zusammen mit seinen Kolleginnen Gabriela Croitoru und Jawad Abdallah verhilft das Team den Menschen einen Zugang in die Gesundheitsversorgung.

Das Team der Clearingstelle ist international gut aufgestellt; die Beratung findet oftmals in der Heimatsprache der Klientinnen statt. Diese fühlen sich auf Anhieb gut aufgehoben, wenn man sie in ihrer Muttersprache begegnet. Denn Sprache verbindet und schafft eine vertraute Atmosphäre, die grundsätzlich zu einer Verbundenheit führt.

Mehr als 130 Nationen im Stadtteil

Im größten Dortmunder Stadtteil mit etwa 60.000 Einwohnerinnen aus geschätzt mehr als 130 Nationen sind diese Fälle nicht außergewöhnlich. „Eine Frau aus Bulgarien hat seit 1990 zunächst in Berlin als Prostituierte gearbeitet, später hier. Sie hat in den Clubs gelebt, war jedoch niemals in Deutschland angemeldet“, weiß Ramazan Demirci. Andere leben wiederum bei Familienmitgliedern. Sie wohnen mal hier, mal da. Offiziell gemeldet sind sie nicht.

Im Team hat man die Zugangsländer etwas aufgeteilt. Die Kollegin Gabriela Croitoru kümmert sich vornehmlich um die Fälle der rumänischen Mitbürgerinnen, Jawad Abdallah versorgt die nordafrikanischen/arabischen Klientinnen, Ramazan Demirci wiederum übernimmt die Fälle der bulgarischen und türkischen Mitbürgerinnen. Die deutschen Klientinnen haben die Auswahl der dreien Mitarbeiterinnen.

Jawad Abdallah berichtete von Klientinnen, die ursprünglich aus Marokko stammen, aber von Spanien nach Deutschland eingewandert waren. Sehr oft besitzt einer der Ehepartner jedoch nicht die spanische Staatsangehörigkeit, was zu einer Verzögerung der Installierung einer kostenlosen Familienversicherung führt. Die Familienzusammenführung, einhergehend mit dem Aufenthaltstitel, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Zeit, die diejenigen Menschen, die auf ärztliche Behandlung angewiesen sind, nicht haben. Doch leider ist eine Krankenversicherung nur in Verbindung mit einem Aufenthaltstitel möglich.

Clearingstelle braucht Dokumente

Eine weitere Herausforderung sind oft nicht anerkannte Heiratsurkunden. Es kommen nicht selten Ehepaare, die nach religiösen Vorgaben geheiratet haben. Bestimmte Kriterien werden daher nicht erfüllt. Der drittstaatsangehörige Ehepartner gerät dadurch in Schwierigkeiten, weil der EU-Bürger seinen Ehepartner nicht in die kostenlose Familienversicherung hereinnehmen kann. Eine nach deutschem Recht gültige Heiratsurkunde ist nämlich die Basis für die Hereinnahme in die kostenlose Familienversicherung.

Die Clearingstelle ist in solchen Fällen sehr herausgefordert, weil sie nach Alternativen suchen muss, um einen Krankenversicherungs-Zugang für den drittstaatsangehörigen Ehepartner zu finden. Es besteht zwar die Pflicht in Deutschland krankenversichert zu sein; doch nicht immer sind die Rahmenbedingungen so, dass die Voraussetzungen erfüllt werden.

Der Türöffner für den drittstaatsangehörigen Ehepartner doch über Umwege krankenversichert zu werden, kann zum Beispiel das Jobcenter sein. Hier gilt es für das Team zu schauen, ob der freizügigkeitsberechtigte EU-Ehepartner ein Recht auf aufstockende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch haben kann. Sollte das der Fall sein, kann dies zu einer Pflichtversicherung über das Jobcenter führen. Allerdings muss auch diesbezüglich ein Aufenthaltstitel gegeben sein. Dieser Titel würde sich in diesem Fall dann über die Kinder herleiten. Alternativ ist bei einem Aufenthaltstitel die freiwillige Versicherung möglich, sollten keine SGB II – Leistungen gewährt werden.

Viele Fragen führen zum Ziel

Den Mitarbeitern der Clearingstelle fällt schon auf, dass oftmals die Klientinnen erst dann den Weg zu der Clearingstelle suchen, wenn es “brennt”. „Es muss ein ernster Grund auftauchen, bevor sie sich bei uns melden“, so der 50-jährige Sozialarbeiter. Bis dahin versuchen sie sich durchzuschlagen. Hausmittel oder frei verkäufliche Medikamente sind die Regel. „Wir wissen von einigen bulgarischen Geschäften, die die üblichen Medikamente verkaufen“, berichtet Demirci.

Manchmal ist es dann eine ernste Erkrankung, manchmal auch eine Schwangerschaft, um sich dann in der Clearingstelle zu melden.  „Es gilt dann, den Status zu erfassen“, beschreibt Ramazan Demirci das Vorgehen des Teams. Und dazu zählen viele Fragen. Etwa zu Familienmitgliedern, die ebenfalls in Deutschland leben. Was wiederum zu Misstrauen führen kann. Eine Familie hat dem Gesundheitsamt lange das Kind mit Down-Syndrom verschwiegen. Der Grund: Sie leben in einem einzigen Zimmer.

„Die Komplexität und die Bürokratie der Behörden und der Krankenversicherungen überfordert viele Menschen“, wissen Demirci und die anderen Team-Mitglieder. Viele der Menschen haben nicht einmal die Grundschule abgeschlossen. Sie können oft nicht lesen und schreiben. Unterstützung erfahren sie häufig in der Familien-Community. Oder sie zahlen Geld an „schwarze Schafe“, die amateurhaft beraten.

Eine Meldeadresse als Voraussetzung

„Es ist nicht selten, dass Menschen Geld dafür bezahlen, ihnen am Bankautomaten oder bei Terminvereinbarungen mit den Bürgerdiensten oder dem Jobcenter zu helfen“, berichtet Ramazan Demirci aus der täglichen Praxis. Gleichzeitig weiß das Team auch: Jeder Fall ist individuell. Die Fragen dazu aber ähnlich. Und so erfahren sie von Familienmitgliedern, aber auch von Paaren, die seit Jahren ohne Trauschein „verheiratet“ sind, von Kindern, die aber vielleicht offiziell nicht anerkannt sind. „Je mehr Details wir wissen, umso besser können wir helfen“, sagt Demirci.

Oftmals müssen die Klientinnen zunächst mal eine Meldeadresse haben, in Deutschland; Voraussetzung für alles Weitere. In einigen Fällen wird dabei an die Diakonie verwiesen, die eine postalische Erreichbarkeit einrichten können. Zudem muss geklärt werden, ob im Heimatland schon mal in eine Gesundheitsversorgung eingezahlt wurde. Erhalten Elternteile vielleicht eine Rente, oder lässt sich eine Krankenkassenversicherung über die Enkelversicherung oder Familienversicherung einrichten. Ausländische Krankenversicherungen verwehren nach den Erfahrungen des Teams sehr häufig die Bescheinigung einer Einzahlung oder Mitgliedschaft, um so einen Ausgleich mit deutschen Krankenversicherungen zu verhindern.

Situation in Heimatländern dramatisch

„Die Menschen sind dankbar, hier in Deutschland menschenwürdig leben zu können“, weiß Ramazan Demirci. Die Situation in den Heimatländern sei oft dramatisch. Oft arbeiten sie für sehr kleines Geld, wissen aber nicht, dass der Mini-Job einen Zugang zur deutschen Gesundheitsversorgung bietet. „Ein wichtiger Punkt, den wir oft erklären müssen“, sagt er.

Da man in Dortmund von Beginn an mit dem Verband der Ersatzkassen zusammengearbeitet habe, sei der Start gut gewesen. Schon im Studium hat sich Ramazan Demirci auf das Thema Sozialhilfe-Recht spezialisiert. Immer wieder ist auch die Finanzierung ein Thema. Fördermittel geben aktuell das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Dortmund. Offen ist, ob auch die Krankenkassen, die insgesamt fünf Clearingstellen künftig mitfinanzieren sollen. Es gibt immer wieder mal einen Austausch zwischen den fünf Einrichtungen.

Krankenkassen schätzen die Clearingstelle

Die Kooperationspartnerinnen, insbesondere die Krankenkassen, schätzen die Zusammenarbeit mit der Clearingstelle. Ohne die Mitarbeiter der Clearingstelle hätten die Krankenkassen sonst Schwierigkeiten laufende Angelegenheiten abzuschließen. Oftmals ist die Clearingstelle der Grund, weshalb sogenannte „Kartei-Leichen“ wiederbelebt werden. Sie waren für die Krankenkassen nicht mehr erreichbar und werden dann wieder gehört. Über die Clearingstelle wird häufig der Zugang wiederhergestellt. Diese, von der Clearingstelle vermittelten Kontakte, führen oftmals dann wieder zum Erwerb des Krankenversicherungsschutzes

Für sich und das Team kann Ramazan Demirci zwei Wünsche schnell formulieren: „Wir brauchen Ansprechpartner in den jeweiligen Ländern, um besser helfen zu können“, sagt er. Und genauso deutlich: „Die bürokratischen Hürden in ganz Europa müssen dringend weniger werden“.

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