Bei herrlichem Sommerwetter unternahmen die teilnehmenden Kinder des Projekts NORDKIZ einen Ausflug ins Naturkundemuseum. Nach…
Wenn Lesen und Rechnen schwer fallen
Der erste Hinweis kommt häufig von den Lehrer*innen der Grundschule. Die Schüler*innen sind dann oft in der dritten oder vierten Klasse. In den Texten der Schüler*innen sind überdurchschnittliche viele Fehler. Das Lesen fällt schwer, gelingt nur mit Buchstabe für Buchstabe. Beim Schreiben purzeln die Buchstaben wild durcheinander. Und es wird nicht besser. Für manche Kinder sind es die Zahlen, die ihnen große Schwierigkeiten bereiten.
Kinder lernen zunächst Buchstaben, dann das flüssigere Lesen. Dann prägen sich Worte ein, und man muss nicht mehr jedes Wort Buchstabe für Buchstabe lesen. Dieser Schritt gelingt Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung (–> Video) erst spät oder gar nicht. Kinder mit dieser Störung lesen Worte und Phantasieworte manchmal gleich schnell.
Lesen für die Zukunft
Viele von ihnen treffen dann Ulrike Voß. Die Psychologin in der Beratungsstelle Westhoffstraße ist für die Diagnostik zuständig. Sie kann festzustellen, ob es sich bei den Schwierigkeiten vielleicht um eine Lese-Rechtschreibstörung (LSR) handelt. Oder ob es sich um Dyskalkulie handelt, wenn Kinder große Schwierigkeiten beim Umgang mit Zahlen und beim Rechnen haben.
In der Stellungnahme an die Fachstelle stellt Ulrike Voß fest, ob die Störung dazu beitragen kann, dass eine Teilhabe an der Gesellschaft dadurch massiv beeinträchtigt wird. „Es geht nicht selten um die Zukunft der Kinder“, sagt sie. Sie testet mit anerkannten Tests gründlich und ausführlich. Die Testungen dauern zwischen ein und zwei Stunden. Es wird individuell entschieden, welche Tests durchgeführt werden.
Nicht immer die gleichen Fehler
„Die konkreten Ursachen für die Lese-Rechtschreibschwäche sind bis heute nicht wirklich bekannt“, erklärt die Psychologin. Vermutet werden genetische Voraussetzungen. Über viele weitere Faktoren sind sich die Expert*innen bis heute nicht ganz einig. Es gibt viele Vermutungen. Deutlich ist mittlerweile, dass es viele unterschiedliche Erscheinungsbilder der Lese-Rechtschreib-Störung gibt. Jeder macht andere Fehler. Es sind nicht unbedingt immer die gleichen Fehler. Ein Muster lässt sich nur schwer erkennen, vielleicht gar nicht. Dabei wird zwischen Wahrnehmungs- und Regelfehlern unterschieden. Manchmal geht es um das Lesen, manchmal auch um das Erinnern und Aufschreiben.
„Zu Beginn kläre ich immer erst mal, welche Ursachen für die Schwierigkeiten in Betracht kommen. Etwa, ob es sich vielleicht um Angst vor der Schule oder besondere Stress-Situationen handeln kann“, erläutert Ulrike Voß ihr Vorgehen. Auch ein Intelligenztest gehört zur Diagnostik. Die meisten der Kinder mit einer anerkannten Lese-Rechtschreibstörung sind durchschnittlich, manche sogar überdurchschnittlich intelligent.
Verständnis für Kinder und Eltern
„Die Kinder wirken auf mich erleichtert, wenn sie hören, dass sie normal intelligent oder sogar sehr schlau sind. Viele berichten, dass sie sich dumm fühlen. Eine Ursache für ihr Schulproblem gefunden zu haben, erleichtert sie und ihre Eltern dann“. Und weiter: „Eine vielversprechende Zukunft ist ihnen durchaus möglich, es gibt viele Beispiele. Schule, Ausbildung, Studium sind Möglichkeiten, die auch mit Teilleistungsstörungen wahrgenommen werden können“.
Dies gilt es auch, den Eltern zu vermitteln. Die festgestellte Diagnose ist auch eine Herausforderung für sie. Oft wissen sie nicht, wie sie damit umgehen sollen. In diesem Fall erhalten sie Unterstützung in der Beratungsstelle. Nach der Beratung entsteht oft ein größeres Verständnis für die Kinder. Wiederholte Aufforderungen, sich nun „endlich mal besser zu konzentrieren“ helfen den Kindern nicht weiter. Die Kinder benötigen spezielle Förderung und viel Geduld und Zuspruch.
Fördermaßnahmen für das Lesen und Rechnen
Sollte Ulrike Voß festgestellt haben, dass es sich um eine Lese-Rechtschreibstörung oder Dyskalkulie handelt, können die Eltern eine Förderung über die Fachstelle Paragraph 35a beantragen. Diese entscheidet, welche Hilfemaßnahmen gefördert werden können. Die Feststellung kann aber auch der Schule helfen, begleitende Maßnahmen zur Hilfe anzubieten.
Ulrike Voß kümmert sich gern um das Thema in der Beratungsstelle. „Viele Menschen wissen nicht, dass ein großer Teil des Psychologie-Studiums der Statistik und Testtheorie gilt“, erklärt sie. „Mir macht das Spaß. Es geht darum, den Kindern konkret helfen zu können, ihren weiteren Weg zu finden“.